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Alplistock Überschreitung Ost-West

Bergsteigen/Hochtour
ZS-, 3c
Datum der Tour
28.7.2024
Beginn der Tour
05:13
Ende der Tour
13:32
Aktive Zeit in Stunden
8 Std.
Gesamtstrecke in km
4.7 km
Aufstieg in Höhenmetern
700 m
Abstieg in Höhenmetern
700 m
Geringste Höhe
2301 m
Höchster erreichter Punkt
2894 m
dashboard.stats.metric.description.hr
126 bpm
Berg
Alplistock 2894 m
Gebäude
Bächlitalhütte SAC 2337 m

Die Überschreitung des Alplistocks von Ost nach West ist lt. Silbernagel eine angenehme ZS- Tour, die sich auch "gut zu Ausbildungszwecken" eigenen solle. Nun ja.

Der Hüttenwirt war etwas irritiert, als ich sagte, dass wir schon früh um 5 Uhr losgehen wollten. Ich rechnete mit bis zu 9 Stunden Tourzeit, und wir wollten zeitig am Nachmittag wieder bei der Hütte sein. Da wäre das normale Frühstück um 7 Uhr deutlich zu spät gewesen. Also frühstückten wir zur "Diamantstock-Zeit" um 4 Uhr und waren kurz nach 5 Uhr auf dem Weg über den Läckigang. Die Wegspuren verliessen uns immer mal wieder, doch intuitiv fanden wir zurück.

In Richtung des Einstiegs zum Grat wanderten wir über Blockgelände, und realisierten erst etwa 40 hm zu weit oben, dass wir uns eigentlich schon im Grat befanden bzw. ostwärts vom Grat in der Flanke. Also wieder etwas runter und irgendwo im unteren Drittel eingestiegen.

Die erste Länge (die eigentlich die zweite war) schien zunächst viel zu einfach über eine Platte, aber dann wurde sie abrupt schwerer, als ein paar Bohrhaken über eine Platte hinüber zu einem steilen Riss führten, in dem ich Stand machen musste, weil ich den vorherigen übersprungen hatte.

Die weitere Kletterei hinauf war anregend in Bergschuhen. Die Schlüssel-Seillänge ist ein etwa fussbreiter 3c-Riss, der steil nach oben zog. Das ging grad noch gut in den dicken Schuhen - vermutlich sogar besser als in Kletterschuhen wegen des Verklemmfaktors.

Nach dem Riss ging es noch ein paar Meter ausgesetzt über einen Verbindungsgrat und dann zu einer 8m Abseilstelle. Von deren Ende bewegten wir uns dann seilfrei im Kraxelgelände hinauf zum Ostgipfel.

Eine sehr schöne Tour bis hierhin, die man nur empfehlen kann - auch als eigenständige "kleine" Tour!

Der Blick von hier auf den Grat zum Westgipfel ist ebenfalls beeindruckend. Der von unten winzig aussehende "Zipfelmützen-Gendarm" ragt von der Gratkante aus rund 20m in die Höhe, und man muss zweimal schauen, bis man erkennt, dass man diesen im leichten Blockgelände einfach rechts umgehen kann. Eine Besteigung dieses Dingsbums wäre mit 5b angegeben - und das bei praktisch nicht vorhandenen Absicherungen. Also weit ausserhalb unserer Liga.

Auf dem Weg bis unter die Zipfelmütze darf ein sehr ausgesetzter und scharfer Grat überwunden werden. Wir gingen gleitend, sicherten mit ein paar Schlingen und gegen Ende des Gratstücks sogar an ein, zwei vorhandenen Bohrhaken, bevor es dann im "Umgehungsgelände" weiter ging.

Bald standen wir am Fuss des "4c"-Aufschwungs lt. Silbernagel-Führer. Die 4c-Kante erschien uns fürchterlich abenteuerlich. Vor allem dadurch, dass sie über 10m schräg nach oben zog, kaum Griffe oder Tritte sichtbar waren, aber vor allem: Keinerlei Absicherungen. Und auch keinerlei Möglichkeiten, selbst welche zu legen. Keine Risse für Friends und keine Köpfchen für Schlingen. Heisse Nummer.

Also ging die Suche nach der 4a-Variante los. Lt Topo könnte man auf die Idee kommen, dass der senkrechte Handriss in einer Verschneidung unterhalb der Kante diese 4a sein könnte - aber nur einen kleinen Moment. Nämlich so lange, bis man realisiert, dass das unmöglich eine 4a sein kann - auch wenn einem im Gebirge gar viel als 4a verkauft wird, was sonst mindestens eine 5 ist...

Wie das so ist, lohnt es sich bei solchen Dingen, noch etwas weiter zu gehen und um die Ecke zu schauen. Und dort, tatsächlich, erblickten wir eine Variante, die schon eher nach 4a aussah und auch besser zum Topo passt. Hier musste man aus dem Blockgelände heraus zunächst auf eine abschüssige, ziemlich fette Granitplatte steigen (grosser Schritt nötig), um zu einem 2m hohen Wändchen zu gelangen, in dem sich immerhin Strukturen zeigten. Vor dem rechten Teil des Wändchens hing eine Granitplatte, die im Führer mit "lose Schuppe" beschrieben war und auch ein bisschen wackelte, wenn man feste daran zog. Also nicht diese Seite - die schien auch nur bei Augenschein einfacher zu sein als links herum zu gehen, denn die Stelle ist sehr abdrängend.

Also links herum. Es sind ja nur 2 Meter! Wäre man oben, wäre der Weiterweg auf einem Band ein absoluter Klacks! Die Hände fanden oben super Griffe - auch einen Friend konnte man darin versenken (immerhin eine Absicherung). Aber: Für die Füsse gab es praktisch nichts. Mit den Bergschuhen erwies sich die Stelle für meinen Kopf als zu heikel. Ich versuchte etwa 15 Minuten lang diverse Varianten (an der linken Kante gab es sogar einen kleinen Tritt). Ein kräftiger Zug aus den Armen brachte einen nach oben, aber dann fehlt ein weiterer Griff zum Umgreifen - oder ich hatte ihn einfach nicht gefunden. So wunderte ich mich, wie so etwas eine 4a sein könne. Der Armzug allein wäre eigentlich schon ein 5er im Klettergarten. Im Falle eines Sturzes wäre ich 3-5m hinunter auf eine Granitplatte gedonnert. Das wollte ich mir dann doch nicht antun. Ich gab entnervt und etwas frustriert auf und wir beschlossen, die "brüchige Umgehung" zu verfolgen.

Diese erwies sich dann als überhaupt nicht brüchig, sondern als gut zu gehendes 2er-Gelände. Leider kamen wir aber auch nicht mehr wirklich auf den Grat. Die eine Stelle, wo das möglich gewesen wäre, war der dieser äusserst schmal, scharfkantig und auf der anderen Seite ziemlich wild abfallend, sodass eine Besteigung nur um der Besteigung willen ziemlich sinnlos und verwegen schien.

Wir kraxelten also weiter und fanden uns schliesslich in einer kleinen Senke wieder, von wo aus eine mit "2" angegebene Platte hoch auf den vermuteten Westgipfel führte. Diese erwies sich als schwerer als sie aussah, weil sie ziemlich abdrängend verlief und es auch hier keinerlei Möglichkeiten für Zwischensicherungen gab. Nach dieser Stelle waren wir aber noch nicht auf dem Gipfel - diesen mussten wir über eine weitere 20m-Platte erklimmen, die aber wesentlich angenehmer und leicht zu gehen war.

Durch einen kurzen Prüfblick in die weit in die Tiefe abfallende Abbruchkante des Gipfels war uns dann auch klar, dass wir auf dem Westgipfel standen. Nur ein Steinmann ziert ihn. Der Blick schweift hinüber nach Westen, wo ein weiterer Gipfel thront - nicht weit entfernt, mit noch einem Steinmann oben drauf. Häh? Der war im Topo aber nicht eingezeichnet. Aber zum Westgipfel hinauf sollte eine WS-Tour "ohne Schwierigkeiten" führen und ohne echte Kletterei. Da konnte diese seltsame Platte auch nicht gemeint sein, die wir gegangen waren.

Uns wurde dann klar, dass man aus dem Sattel auf der anderen Seite durch eine Rinne absteigen konnte, die nur im unteren Teil etwas Hosenbodenrutscherei erforderte. Von da an war der Weiterweg zum westlichen Vorgipfel des Westgipfels dann sehr einfach. Und der Weg von dort hinunter hatte Flanken- statt Grat-Charakter.

Bald wurde es aber dann wieder abenteuerlicher. Der Abstiegsweg wurde immer ekliger. Sehr viel loses Geröll und dadurch etwas heikle Abkletterpassagen. Zum Glück gibt es 25m vor dem Ende des Grates eine Abseilstelle, mit der man den Schutt gut "umfahren" konnte.

Vom Sattel nun ging es durch ein dunkles, nicht besonders einladendes Couloir noch einige Dutzend Meter weiter durch äusserst rutschiges Geröll, bevor wir schliesslich über Firnfelder recht entspannt nach unten steigen konnten. Aber auch dort war es noch nicht vorbei. Im Klettergebiet folgten wir den Steinmännchen und staunten nicht schlecht, dass kurz vor Ende der Tour der finale Teil des Abstieg durch dieses Klettergebiet erfolgte - darf man auch nicht unterschätzen.

Nach 8 Stunden waren wir wieder auf der Hütte. Für den Aufstieg zum Ostgipfel brauchten wir etwa 40 min länger als angegeben, was u.a. daran lag, dass wir zuerst nebem dem Grat hochgeklettert waren. Die Überschreitung war dann gut in der Zeit, wobei wir einige Minuten verpulverten durch das Abmühen an der ominösen "4a". Alles in allem lässt sich die Tour sicher in 7 Stunden schaffen, wenn man zügig hindurchgeht und wenige Pausen macht.

Fazit: Der Westgipfel lohnt sich nicht (erst recht nicht als eigenständige Tour, da viel zu schuttig), aber der Ostgipfel ist genial zu erklettern, und die Überschreitung hat etwas Abenteuercharakter. Top!

Blick zum Grateinstieg am Morgen
Ab hier wirds steil
Geil zu klettern
Die 3c-Riss-Länge
Abseilstelle - abklettern wär grenzwertig
Weiterweg zum Ostgipfel
Auf dem Weg in Richtung Zipfelmütze
Die "4a" Stelle (links wohl erkletterbar)
Umgehung, Umgehung...
Platte auf dem Westgipfel
Blick vom Westgipfel zum Vorgipfel
Da muss man nicht rüber
Schuttiges Abstiegsgelände
Nach der Abseilstelle
Wenig einladende Abstiegsrinne
Einfacher Abstieg über Firnfelder
Panorama der Tour (rechts nach links)
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