Chukhung: Island Peak BC (fast)
Nach der sehr kalten Nacht - sie war wieder scheisse und wir hatten vermutlich Minusgrade im Zimmer - fühle ich mich wie gerädert.
Der Blick nach draussen bringt jedoch Energie: Das Wetter ist klar, die Ama Dablam erhebt sich wie ein strahlender Diamant hoch über dem Dorf. Woaaah!
Anstatt die 700 Höhenmeter auf den Aussichtshügel Chukhung Ri hoch zu wandern - das traue ich mir heute nicht zu - gehen wir in Richtung Island Peak Base Camp. Das dürfte einfacher sein.
Die Wanderung ist der absolute Hammer, das Wetter bleibt top, nur über der 3000m aufragenden Südwand des Nuptse bilden sich dichte Wolken. Jedoch strengt mich jeder Höhenmeter extrem an. In meinen sonst so starken Oberschenkeln ist einfach keine Energie, die ich abrufen könnte. Ich fühle mich wie ein Neunzigjähriger, der fünf Minuten für die Kellertreppe braucht.
Als das Basecamp in Sichtweite kommt, beschliesse ich zu pausieren. Während Lama und Harry weitergehen, schnaufe ich mich einen kleinen Grashügel hinauf. Es ist vergleichsweise warm, es ist windstill, und der Blick, vor allem nach Süden, ist überwältigend: Nicht nur die Ama Dablam ist ein Juwel - auch die zwei unbenannten 6000er-Gipfel oberhalb des Sees "Imja Tsho" faszinieren mich. Ihre scharfen Grate aus Schnee und Eis, glänzend in der Sonne - eine Pyramide aus Zitroneneis und Schlagsahne. Als Bergsteiger juckt es mich, da hinauf zu steigen. Aber sobald ich aufstehe und zwei Höhenmeter auf meinem Grashügel überwinde, weiss ich wieder, dass das kein Spass werden würde.
Ich verbringe rund eine Stunde auf meinem ganz persönlichen Aussichtshubbel. Diese Stunde gehört zu den schönsten in meinem Leben. So ein wunderbarer Ort. Ich. Ganz. Allein. Weit und breit kein Mensch. Nur die Berge, das Tal, die ruppige Natur - und ich. Das einzige was ich höre ist der leise Wind, der die Grashalme um mich herum bewegt. Dann, plötzlich, besucht mich ein Hund - aber er bleibt nicht lang. Vermutlich hatte er auch Lust zu wandern, oder er hat im Base Camp nichts mehr zu essen gefunden.
Morgen soll das Wetter wieder schlechter werden, ich habe immer noch keinerlei Energie, und wir sollen über einen 5500m hohen Pass. Na - ob das klappt?